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Versicherungen sind sexy

von Mag. Christian Sec

In Versicherungskreisen und bei Vorträgen hört man immer wieder eine Binsenweisheit: „Versicherungen sind nicht sexy“. Wenn Versicherungsfachleute über ihr Produkt so nachdenken, muss man sich die Frage stellen, warum sie diesen Beruf überhaupt gewählt haben. Es ist legitim, dass nicht alle Männer und Frauen nach dem steilsten Zahn streben. Das Begehren danach ist so zahlreich, dass man am Ende mit leeren Händen dastehen könnte. Jedoch lösen die Bekundungen, nicht besonders reizvoll als Branche zu sein, Unbehagen beim Zuhörer aus: „Warum sollte ich mich mit jemandem auseinandersetzen, der sich selbst nicht interessant findet?“ Aber nicht nur das. Es zeugt auch von Unbehagen einer ganzen Branche. Fast wirkt es so, dass sich die Versicherungsexperten für ihr Produkt schämen, weil sie es doch so gern betonen, ja überbetonen, dass ihr Produkt so unsexy sei. Freud würde dabei von einer Projektion sprechen. Die eigene Selbstwahrnehmung wird einer anderen Materie zugeschrieben. Nicht ich bin es also, der unsexy ist, sondern mein Beruf, zumindest soll das die Botschaft sein. Wenn wir die Projektion aber wieder geraderichten, dann kommen wir zum Schluss: Es sind also gar nicht die Versicherungen, die unsexy sind, sondern sie werden nur durch die innerseelischen und untherapierten Konflikte ihrer Schöpfer dazu gemacht. Aber was können die armen Versicherungsprodukte dafür? Ganz im Gegenteil sind diese die Stars der neuen Welt. Was liegt näher, als in einer Zeit, in der die Welt vor Unsicherheit nur so strotzt, Zukunftssicherheit einzukaufen. Allein die Möglichkeit, den Menschen Sicherheit für die Zukunft anzubieten, müsste eigentlich jeden in der Branche zu einem stolzen Pfau verwandeln. So stolz, dass der Versicherungsberater dem smarten und selbstbewussten Hedgefonds-Manager mit seinem sexy Hedgefonds nicht mehr mit Demut begegnet. Sicherheit verkauft sich gut. Alles, was sich gut verkauft, hat Appeal. Je unsicherer die Zeiten, umso risikoaverser werden wir, und wir lesen dies an den steigenden Risikoprämien ab, also dem Preis für die Sicherheit. Sicherheit hat genügend Anziehungskraft in der Bevölkerung, so viel, dass man sogar dafür seine Freiheit einschränken würde. Immer mehr, je unsicherer die Zeiten werden. Wie hoch die Sicherheit derzeit im Kurs liegt, zeigt sich auch an den steigenden Militärausgaben, nicht im Namen der Freiheit, sondern im Namen der Sicherheit. Was sexy ist, bestimmt der Trend. Die Monroe machte Wasserstoffblond sexy und zum Trend, heute wird man damit eher als dumm disqualifiziert. Im Gegensatz dazu war Sicherheit früher bieder, heute ist es en vogue. Damit macht sie bereits ihrem Gegenpart, der Freiheit, große Konkurrenz. Sicherheit hat nur nicht so viel Lobby wie Freiheit. Freiheitskämpfer sind Helden, die ihre Zeit überdauern, sie werden durch Statuen und Straßennamen verewigt. Helden für Sicherheit werden nicht angehimmelt, bekommen auch keinen Platz in der Geschichte, aber sind der Retter in der Not.

Attraktive Risiken

Versicherungen befreien aber auch, und zwar von der Angst vor der Zukunft. Sie machen das aber nicht für jeden. Ihr Prinzip ist das der Selektion. Ihr Appeal geht davon aus, dass sie nicht die Caritas ist, sondern nur ausgewählten Personen Zutritt verleiht. Ein chronisch Kranker wird keine private Krankenversicherung bekommen, und ein Unternehmen, das schon mehrfach von einem Cyberangriff betroffen war, auch keine Cyberversicherung. Die Suche nach der exklusiven Menge, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen, das machen Versicherungen. Wer will nicht zu den Guten gehören? Am Markt für Versicherungen findet ein Katz- und Mausspiel statt. Es wird betört, umworben, getäuscht und betrogen. Versicherungen versuchen, die attraktiven Risiken, die Versicherungen gar nicht brauchen, ins Boot zu holen, während die unattraktiven Risiken ein bisschen Puder und Schminke auftragen, um die Versicherungen dadurch zu blenden. Es geht zu wie in einer Seifenoper, oder wie im richtigen Leben. Versicherungen werden in ihrem Selektionsprozess von schlechten Risiken gestürmt, also genau diesen Personen, die man nicht will. Man wird an das Märchen Aschenbrödel erinnert. Alle wollen den Prinzen heiraten, aber nur eine unter Tausend passt in den verlorenen Schuh. Die richtigen Personen sind eben besonders schwer zu finden und heiß umkämpft. Die langen Beine einer Schauspielerin, die Hände eines Klaviervirtuosen, die begnadeten Füße eines Fußballgenies, all das können Versicherungen absichern. Und wenn man genug Geld hätte, dann sollte man alle möglichen Versicherungen abschließen, auch eine Scheidungsversicherung, für alle Fälle und das auch, wenn man seinen Partner liebt. Versicherungen sind eben doch sexy.

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