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Die Pseudo IQ-Elite

von Mag. Christian Sec

Ein bemerkenswerter gemeinsamer Nenner zwischen Donald Trump und seinen Partnern im Silicon Valley ist ihre Obsession mit dem Intelligenzquotienten (IQ). Beobachter sind sich weitgehend einig: Der Trumpismus betrachtet neben Geld und Macht vor allem den IQ als zentrales Kriterium für den Einlass in den inneren Zirkel der Auserwählten. Seit dem Aufstieg der Informationswirtschaft in den 1980er- und 1990er-Jahren gilt der „Wissensarbeiter“ als Speerspitze des ökonomischen Fortschritts. In genau dieser Phase gewann auch die Debatte über den IQ an Bedeutung. Maßgeblich geprägt wurde sie durch das umstrittene Buch The Bell Curve (1994) der Autoren Charles Murray – ein libertärer Politikwissenschaftler – und Richard Herrnstein (Psychologe), die darin behaupteten, IQ-Unterschiede zwischen „Rassen“ seien langfristig und unvermeidbar. Doch die gesellschaftliche Implementierung dieser Sichtweise verlief subtiler. In den USA etablierten sich Programme zur Förderung Hochbegabter – etwa das „Center for Talented Youth“ von Julian Stanley. Zu dessen Absolventen zählt auch Curtis Yarvin, heute Softwareentwickler und politischer Theoretiker. Als Vertreter der sogenannten „Dark Enlightenment“ (Dunkle Aufklärung) befürwortet Yarvin seit den 2000er-Jahren offen den IQ als Maßstab für menschlichen Wert – etwa, als er vorschlug, IQ-Tests zur Wählerdisqualifikation im Post-Apartheid-Südafrika zu verwenden. Der IQ-Kult hat im Silicon Valley eine lange und problematische Geschichte. Einer seiner historischen Vorreiter war William Shockley, Miterfinder des Transistors. Shockley befürwortete offen eugenische Maßnahmen – etwa sollten Menschen mit einem IQ unter dem Durchschnitt (100) für jeden Punkt darunter 1.000 US-Dollar erhalten, wenn sie sich sterilisieren lassen.

Thielosophie

Auch Peter Thiel, einer der einflussreichsten Investoren des Valleys, ist ein prominenter Vertreter dieser Denkschule. Bereits 2014 erklärte er, das Problem der Republikanischen Partei sei, dass deren Führungsfiguren einen niedrigeren IQ hätten als die der Demokraten. Für Thiel wie auch andere Tech-Eliten basiert gesellschaftlicher Fortschritt nicht auf Mehrheiten oder staatlichen Institutionen, sondern auf den Visionen weniger außergewöhnlicher Individuen mit hohem IQ. Die Mehrheit der Bevölkerung gilt in diesem Weltbild als passiv oder gar hinderlich – ebenso wie politische Systeme, die auf dem Allgemeinwillen beruhen. Demokratie erscheint hier nicht als Garant von Gerechtigkeit, sondern als Mechanismus der Mittelmäßigkeit und Innovationserstickung. Öffentliche Bildungseinrichtungen gelten in diesem Denken als konformistische Institutionen, die junge Menschen auf ein standardisiertes, verwaltetes Leben vorbereiten – nicht aber auf kreative, risikoreiche Innovation. Peter Thiel sprach mehrfach davon, dass Bildung eine „Bubble“ sei – wie einst die Immobilienblase: überbewertet, überteuert, ineffizient. Universitäten brächten laut ihm keine Erfinder, sondern Verwalter hervor. Als radikale Alternative gründete Thiel die Thiel Fellowship, ein Förderprogramm für hochbegabte Jugendliche. Dort werden auserwählte Talente mit 200.000 US-Dollar dafür belohnt, dass sie ihr Studium abbrechen oder gar nicht erst beginnen – um stattdessen als Unternehmer ihre eigenen Visionen zu verfolgen. Die Idee dahinter: Nicht Bildung, sondern angeborene Intelligenz treibt Fortschritt. Das erinnert stark an die Grundthese von The Bell Curve: Die Gesellschaft sollte Ungleichheit nicht nur akzeptieren, sondern sie fördern, da sie Ausdruck natürlicher Unterschiede ist. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum Trump das nationale Bildungsministerium per Dekret abschaffen wollte – kurz nach Amtsantritt. Auch Elon Musk, der mit Einsparmaßnahmen beauftragt war, setzt in seinem eigenen Bildungsprojekt „Ad Astra“ auf individualisierte, kreative Denkansätze statt standardisierter Curricula. Wie Thiel hält auch Musk traditionelle Bildung für ein Hindernis auf dem Weg zur Entfaltung außergewöhnlicher Intelligenz.

Auswahl durch Demütigung

In dieser Weltsicht wird die Stigmatisierung als „dumm“ zur schwersten Form gesellschaftlicher Ächtung. Trump nutzte solche Etiketten regelmäßig, um politische Gegner symbolisch aus dem Zirkel der Eliten zu verbannen: Kamala Harris nannte er „wirklich dumm“ und mit „sehr niedrigem IQ“. Den Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, bezeichnete er als „low IQ individual“. Ex-Außenminister Rex Tillerson sei laut Trump „dumm wie ein Stein“ und habe „nicht die geistige Befähigung für den Job“. Der IQ wird verwendet, um sich selbst in fast kindlicher Art zu überhöhen und gleichzeitig damit andere abzuwerten. Der Ausschluss aus der Geisteselite wird öffentlich und brutal vollzogen. Dieser Glaube an die eigene Überlegenheit geht häufig mit einem quasi-religiösen Sendungsbewusstsein einher. Trump bezeichnete sich wiederholt als „The Chosen One“ – also den Auserwählten Gottes. Es ist eine gefährliche Mischung aus Größenwahn, Gnadenmythos und Elitenbildung – weit entfernt vom Gleichheitsideal der Demokratie.

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