Die EZB hat sich zur höchsten Leitzinserhöhung in ihrer Geschichte durchgerungen und einstimmig beschlossen ihre drei Leitzinsen um jeweils 0,75 Prozentpunkte anzuheben.
Mit Wirkung vom 14. September liegen nun der Hauptrefinanzierungssatz und die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagenfazilität bei jeweils 1,25; 1,50 bzw. 0,75%. Der Hauptrefinanzierungssatz erreichte somit das höchste Niveau seit November 2011. Tilgungsbeträge der im Rahmen des Asset-Ankaufprogrammes erworbenen Anleihen werden so lange reinvestiert, wie es erforderlich ist, reichlich Liquidität zu gewährleisten und einen angemessenen geldpolitischen Kurs aufrechtzuerhalten. Doch das weitaus höhere Volumen wurde im Rahmen des Pandemie-Notfallkaufprogrammes erworben. Hier war die EZB bezüglich Re-Investment der Tilgungsbeträge präziser: Noch mindestens bis Ende 2024 soll es so weitergehen.
Da das Inflationsziel bei 2% liegt, sind logischerweise weitere Leitzinsanhebungen zu erwarten und der 0,75 Prozentpunkte-Schritt war keine Überraschung mehr, was folgende Marktreaktionen zeigten: Der 15jährige EUR-Swapzinssatz war bis 17:08 Uhr um 7 Basispunkte auf 2,556% rückläufig. Der US-Dollar wertete gegenüber dem Euro auf und die Aktienmärkte waren wenige Stunden nach der EZB-Entscheidung auf breiter Front im Plus.
Falsche Therapie
Die EZB hat die BIP-Wachstumsprognose für den Euroraum kurzfristig nach oben korrigiert, aber 2023 wird voraussichtlich schwächer ausfallen. Die Volkswirte der EZB erwarten nun ein Wachstum von 3,1 % für 2022, von 0,9 % für 2023 und von 1,9 % für 2024. Hingegen ihre Inflationsprognosen haben die Fachleute der EZB deutlich nach oben geschraubt: Sie rechnen nun mit durchschnittlichen Inflationsraten von 8,1 % für 2022, 5,5 % für 2023 und 2,3 % für 2024. Das alles impliziert weitere Leitzinsanhebungen, die im aktuell von Angebotsknappheit geprägten Umfeld ihre Wirkung erneut verfehlen könnten. Leitzinsanhebungen wirken nämlich auf der Nachfrageseite. Höhere Zinsen bedeuten weniger Investitionsnachfrage. Um beispielsweise eine Nord Stream 1 Pipeline wieder zum Laufen zu bringen, sind andere Maßnahmen erforderlich. Da kann die EZB ihre Zinsen so hoch anheben, wie sie will. Gleiches gilt auch für die zahlreichen Lieferengpässe infolge des Ukrainekriegs. Somit wäre eine koordinierte angebotsorientierte Wirtschaftspolitik wesentlich zweckmäßiger im Kampf gegen die aktuelle Teuerung.